Amygdala, Amygdala! 2019 . . . . . .Bedruckte Folie, Spiegel, Formmasse In ihrer aktuellen Arbeit "Amygdala, Amygdala!", die bereits durch den Titel eine ironische Aufnahme jenes Hirnareals mit einbezieht, in dem die Ambivalenz des Erfahrenen zur gültigen Entscheidung gebracht wird, antwortet die Künstlerin mit einer Installation auf eine bereits bestehende Raumsituation. Doch zunächst zum kryptischen Titel: Die Amygdala ist rein physiologisch betrachtet ein Teil der limbischen Systems im Endteil des Stammhirns. Ihre Funktion ist eindeutig den Emotionen zugeteilt und nicht zuletzt das Zentrum in der Hirnregion, das für die Entstehung von Angstzuständen zuständig ist. Gerade in Hinsicht auf die tatsächliche Installation im Hugenottenhaus ist der Arbeitstitel von besonderer Bedeutung und stellt die Kreuzverbindung zwischen dem Ausstellungstitel "freie Zimmer" und der tatsächlich vorgefunden Situation eines zugemauerten Durchgangs, der per se die Phantasie beflügelt. Tatsächlich erklärt sich der Umstand der Niveauverschiebung aus einer ehemaligen Verbindung des Hugenottenhauses zum nebenstehenden Hotelgebäude,- hier befand sich der Übergang zwischen beiden Häusern. Man blickt also geradezu auf eine unfreiwillig inszenierte Situation, die durch die beiden seitlich angebrachten Geländer noch gesteigert wird. Für Ingrid Flohry ein idealer Ansatz um die vielfältigen Bezugspunkte räumlicher Konstruktion, die wir aus ihren, teils großformatigen Aquarellen kennen, in eine raumgreifende dreidimensionale Arbeit zu überführen. Die Gitterstruktur ihrer Bilder nutzt sie hier, um so besehen ein Netz aus Raumkoordinaten zu schaffen, das die visuelle Aufmerksamkeit der Ausstellungsbesucher mit Sogwirkung auf einen zentral montierten runden Spiegel lenkt, eine Luke die den Blick auf eine andere Welt freigibt. Hier kommt in der strengen Struktur des auf Folie gedruckten Gitternetzes, auch eine spielerische Variante zu tragen, fast könnte man von einem poetischen Moment sprechen. Der visuelle Transit führt den Betrachter in eine Art Stasis, einen Stillstand. Gefühlt ist es die Aussicht auf ein Ziel zuzulaufen, von dem man gerade erst aufgebrochen ist. Im Spiegel stellt sich nur das dar, was hinter einem liegt. Gleichzeitig ist er Spiegel in vielen Kulturen auch Symbol für den Übergang in eine andere Welt. Auch bei Lewis Carroll heißt es ja im originalen Titel: 'Through the Looking-Glass, and What Alice Found There'. Was also finden wir hinter dem Spiegel? Ganz ohne Zweifel faltet sich die Amygdala-Installation Flohry´s in multiplen Bedeutungsstrukturen auf: visuell, philosophisch und nicht zuletzt psychologisch. Nicht jeder Betrachter wird in der Lage sein, den Spiegel als Pforte des Transits, des geistigen Übergangs zu sehen. Nicht wenige werden die dahinter liegende Mauer spüren und als klaustrophobisches Momentum erleben. Hier kommen wir auf die Anfangs erwähnte Ambivalenz und die Amygdala als Ursprungsherd der Angstzustände zurück. Zwischen den Möglichkeiten in einem erweiterten visuellen Sinn mit dem Raum selbst zu arbeiten und dem tatsächlichen Erleben der Betrachter herrscht ein großes Spektrum an Deutungsmöglichkeiten. Der gelenkte Blick auf den Spiegel als Zentrum der Reflexion stellt den Betrachter vor die Wahl, sich einer Öffnung seines Denkens zu stellen oder den Raum durch geprägte Ängste zu erfahren. Jenseits der visuellen Komplexität ist die Installation ein Angebot, den Raum anders wahrzunehmen und sich für neue Eindrücke zu öffnen, kurzum die Architektur als Möglichkeit zu begreifen. Ingrid Flohry stellt dabei den Spiegel ins Zentrum ihrer Installation. Er antwortet direkt und visuell auf die vorgefundene Situation und macht die vorhandene Mauer zu einer Leinwand, auf der sich Raum und Besucher wieder finden. Er suggeriert und reflektiert zugleich das Geschehen, ganz so wie es William Shakespeare einmal treffend formulierte: "art is a mirror held up to nature".
Doppelsphären Ballhaus im Nordpark, Düsseldorf 2020 Bedruckte Folie, Spiegel, Formmasse
Nichts ist am Platz 2021 Ausstellung "Doppelzimmer" Hugenottenhaus Kassel Rauminstallation in Cooperation mit Marco Glashagen